Judo-Verband
Sachsen-Anhalt e.V.

 

 

London – Ich war dabei! 

Bericht von Constantin Strube (JC Halle)

Mit Bus und Fähre und natürlich einheitlich gekleidet ging es am 28. August zu den Paralympics nach London. Ich, Constantin Strube, war einer von sechs Sportlern ohne Behinderung, die für das Paralympische Jugendlager der Deutschen Behindertensportjugend nominiert worden waren. Müde, aber voller Vorfreude kamen wir nach ca. acht Stunden in unserem Hotel an.

Unser erster Tag begann mit einer Stadtrundfahrt durch das verregnete London, wobei wir von Mitarbeitern der deutschen Botschaft begleitet und mit Informationen versorgt wurden. Das Highlight an diesem Tag war aber natürlich die Eröffnungsfeier – der erste Höhepunkt: Stephen Hawking. Der an einer Nervenkrankheit leidende Wissenschaftler führte als Erzähler durch die Feier, welche unter dem Motto „Enlightment“ – Aufklärung und Erleuchtung stand. Die Show war fantasievoll, fröhlich, akrobatisch und emotional – einfach unbeschreiblich. Um 23:13 Uhr wurden die Spiele dann offiziell von Queen Elisabeth II. eröffnet.

Am nächsten Tag konnten wir live bei der Einweihung des Deutschen Hauses der Paralympics durch den Bundespräsidenten, den Bundesinnenminister und den Deutschen Botschafter dabei sein. Wir haben dort viele deutsche Athleten getroffen und uns ganz zwanglos mit ihnen unterhalten. Eine Museumsführung im Deutschen Haus gehörte ebenfalls zum Programm. Sehr interessant war auch das Treffen mit Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder. Mit ihr führten wir eine anregende Diskussion über unsere Motivation zur Teilnahme am Paralympischen Jugendlager, der Bedeutung des Sports für unser Leben, aber auch über unsere Probleme im Alltag und im Sportverein. Dass die Politiker alle sehr leutselig sind, bewies auch NRW-Ministerin Hannelore Kraft, die, anstatt große Reden zu schwingen, sich mit uns an den Tisch setzte und unsere Fragen zum Thema Politik beantwortete. Unsere häufigsten Anlaufstellen für die sportlichen Ereignisse waren natürlich die großen Sportkomplexe: Dem Olympic Parc und dem Excel-Center, aber auch der North Greenich Arena statteten wir einige Besuche während der Teamfinals ab. Allein der Gang über die mit Fans gefüllten Plätze und Straßen zu den verschiedenen Sportstätten war ein absolutes Erlebnis. Wir haben u. a. die Wettkämpfe der Schwimmer, Leichtathleten und Rollstuhl-Basketballer besucht. Ein kleiner Wermutstropfen für Khoi Nguyen, einen sehbehinderten Judoka aus Marburg, und mich war, dass wir nicht einmal zu einem Judowettkampf konnten. Aber auch in den anderen Sportarten fanden wir es grandios, wie sich die Sportler mit ihren Behinderungen zu Höchstleistungen motivierten. Doch am emotionalsten war immer, wenn das Publikum zu regelrechten Begeisterungsstürmen aufliefen, um Sportler anzufeuern, die weit hinter dem Hauptfeld ins Ziel kamen. Das war unbeschreiblich!

Ein sportliches Highlight für uns persönlich war die Spaßolympiade auf dem Campus der Uni Kent gemeinsam mit dem Jugendlager des Behindertensportverbandes Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Nach abwechslungsreichen Aufwärmspielen mussten wir in Fünfergruppen verschiedene Disziplinen durchlaufen. Teebeutelweitwurf klingt zwar simpel, aber es kam dabei nicht auf Kraft, sondern auf die Wurftechnik an. Beim Rolli-Slalom dagegen war Geschicklichkeit gefragt, um den Rolli im Sitzen mit einer Hand durch den Slalomparcours zu lenken. Auch die anderen Disziplinen, wie z.B. „Bieruntersetzerzielwurf“, „Hemdzuköpfen mit einer Hand“ oder „Buchstabensalat“ hatten alle ihr „Handicap“ . Es machte viel Spaß und am Ende bekamen die Besten natürlich ihre verdiente Medaille.

Nachdem wir schon viele unserer Athleten kräftig angefeuert haben, bekamen wir die Möglichkeit, einmal in das Dorf hineinzudürfen, wo alle Paralympians ihre Unterkunft hatten: das Paralympische Dorf. Nach stundenlangem Warten und mehreren Kontrollen wurden wir von Solveig Wörzberger begrüßt, welche uns alles zeigte. Wir sahen den Park, die Mensa, natürlich die deutsche Unterkunft und auch viele Athleten aus der ganzen Welt.

Doch wir haben uns nicht nur fleißig in den Sportstätten und bei den Politikern aufgehalten, wir haben auch eine Schule besucht, um genau zu sein: die Deutsche Schule in Richmond. Hier konnten wir bestaunen, wie viel Geld die Bundesregierung in ihre im Ausland ansässigen Kinder und Jugendlichen investiert. Wir wurden sehr nett begrüßt und haben auch alle schnell einen Draht zu den Schülern aufgebaut. In unseren Gesprächen während der Schulführung haben wir viel über alles Mögliche aus deutsch-britischer Sicht erfahren, u. a. wie die „disabled people“ in England betrachtet werden.

Ein wichtiger Termin für uns war der von uns gestaltete Jugendabend. Er fand vor großer Kulisse statt. Gäste aus Politik, Wirtschaft und Sport sowie auch die Teilnehmer des österreichischen Jugendlagers nahmen daran teil. Für die musikalische Stimmung sorgte das European Youth Orchestra und natürlich wir selbst. Weiterhin zeigten wir auch eine Tanzshow, die beim Publikum gut ankam, obwohl sich einige vertanzten. Es wurde ein gelungener Abend. Die Abschlussfeier übertraf alle Erwartungen und war nach Meinung vieler Teilnehmer noch gigantischer als die Eröffnungsveranstaltung. Unter dem Motto “Festival of Flame“ zelebrierten die Gastgeber die Ausgelassenheit der britischen Festival-Kultur und den Wechsel der vier Jahreszeiten. Die Londoner Band „Coldplay“ sorgte zusammen mit US-Star Rihanna und Rapper Jay Z. für die musikalische Unterhaltung. Es war ein spektakuläres und unvergessliches Finale.

Schlussendlich hinterließ die Reise zu den Paralympics 2012 bei mir einen bleibenden Eindruck. Nicht nur die zahlreichen sportlichen Höchstleistungen der Athleten waren es, sondern auch die Geschichten der einzelnen Menschen und deren kreativer Umgang mit den jeweiligen Behinderungen. Alle Teilnehmer des Jugendlagers waren sich einig, dass nur die eigene Teilnahme an den Olympischen Spielen oder Paralympics dieses Erlebnis noch toppen kann.

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Stand: 2. November 2012

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