Karlsruhe bleibt ein gutes Pflaster - Klassenerhalt in der zweiten Bundesliga geschafft
Beitrag von Sebastian Vogel
„Tief durchatmen“ hieß es für die Judokas des SV Halle am vergangenen Samstag kurz vor 20 Uhr. Sekunden vorher hatte sich Gunther Dingler von seinem Kontrahenten Bernd Beller unentschieden getrennt. Bei noch drei offenen Duellen und einer 6:3-Führung beim gastgebenden BC Karlsruhe war das zum definitiven Klassenerhalt benötigte Unentschieden schon erreicht. Dass man sich am Ende beim Lieblingsgegner der Liga – der SV gewann bisher alle Bundesligavergleiche mit dem BC Karlsruhe – mit 7:5 durchsetzen konnte, sicherte am Ende einer verrückten und durchwachsenen Saison nicht nur den Klassenerhalt, sondern sogar noch die Bronzemedaille in der 2. Bundesliga Süd.
Und dass an diesem Kampftag eigentlich alles gut werden musste, merkten die angereisten Saalestädter schon nach den ersten vier Kämpfen. Gleich im ersten Duell hatte SV-Trainer Stephan Fröhlich hoch gepokert: Er schickte den angestammten 90-kg-Mann Tony Hinze in den Vergleich über 100 kg – und die Rechnung ging voll auf. Hinze beherrschte seinen Kontrahenten Josef Geddert dank einer taktischen Meisterleistung von Beginn an und konnte nach der Hälfte der Kampfzeit den ersten Sieg des Abends einfahren. Und die Saalestädter legten direkt nach: Erst kämpfte Erik Epler -60 kg in einem spannenden Vergleich mit Alexander Braun Remis, ehe -66 kg Slava Popov den Karlsruher Stefan Freitag blitzschnell mit einem Armhebel zur Aufgabe zwang. Gunther Dingler -100 kg machte die 3:0-Führung mit einem wunderbaren Fußwurf gegen Markus Eisenmann schließlich perfekt. Durch die Erfolge seiner Teamkameraden motiviert, kam nun Fridtjof Seiffert -81 kg zum Einsatz. Mit Jannis Hill hatte er einen der Punktegaranten des BC vorgesetzt bekommen. Doch sichtlich unbeeindruckt von dessen Stärke setzte Seiffert den Badener mit beherzten Ansätzen unter Druck. Leider jedoch nutzte Hill eine kleine Unachtsamkeit des Hallensers am Boden aus und konnte zum 1:3 aus Karlsruher Sicht verkürzen. Christian Naujoks wollte nun im Limit -73 kg die alte Drei-Punkte-Führung wieder herstellen. Dass dieses Unterfangen indes nicht einfach werden würde, war schon vor Kampfbeginn zu erwarten gewesen, denn mit Philip Müller wartete der amtierende Deutsche Juniorenmeister. Aber Naujoks kämpfte taktisch klug und drückte dem Badener schnell eine Bestrafung auf. Doch gleich im ersten Moment, in dem der Hallenser seine Linie verlor, bewies Müller seine Klasse und konnte Naujoks sehenswert werfen und den Anschluss für Karlsruhe herstellen. Allerdings hatte ein Kämpfer des SV noch nicht ins Tagesgeschehen eingegriffen: Timo Prellwitz. Gewohnt sicher, wenn auch über die volle Kampfzeit von fünf Minuten, agierte Prellwitz, erzielte nach knapp zwei Minuten einen Waza-ari-Vorsprung per Schulterwurf und ließ sein Gegenüber Sebastian Hohlschuh nicht ein Mal zur Entfaltung kommen. Somit stand es zur Halbzeit 4:2 für die SV-Cracks.
Den Start in die Rückrunde über 100 kg bestritt Heiko Pultke auf Seiten der Saalestädter gegen den überraschend aufgerückten Sebastian Hohlschuh. Endlich, musste sich Pultke gesagt haben, ein Gegner der nicht über 100 kg wiegt. Doch diesen Gewichtsvorteil konnte der Hallenser am Ende leider nicht in einen eigenen Vorteil ummünzen. In einer unübersichtlichen Situation setzte sich der Karlsruher etwas glücklich durch und verkürzte den Abstand auf 3:4. Doch auf die Leichtgewichte der Hallenser war an diesem Tag Verlass. Ganz besonders der jüngste der halleschen Riege, Christoph Gubert, wusste am Wochenende auf ganzer Linie zu überzeugen. Zwar zeigten sich in seinem Vergleich mit Alexander Braun noch einige athletische Nachteile, aber durch sein variables Technikrepertoire brachte er den Karlsruher mehr als einmal in Verlegenheit, erkämpfte sich eine Yuko-Wertung und fuhr am Ende verdient den Sieg -60 kg ein. Für Slava Popov -66 kg schließlich sollte es ein perfekter Wettkampftag werden, denn auch in seinem zweiten Vergleich mit Stefan Freitag konnte er sich über die volle Kampfzeit souverän durchsetzen. Ebenso wie Popov wollte nun Gunther Dingler seinen zweiten Tagessieg -100 kg einfahren. Dabei bekam er es mit dem sehr unangenehm, aber im gesamten Kampfverlauf auch sehr passivem Bernd Beller zu tun. Dass dieser am Ende der fünfminütigen Kampfzeit nicht eine Bestrafung erhalten hatte, war zwar mehr als unverständlich, aber auch verschmerzbar, da dieses Unentschieden den Saalestädtern schließlich zum Klassenerhalt genügte. Nichtsdestotrotz wollte Sebastian Wussow -81 kg einen weiteren Mannschaftspunkt einfahren. Und auch am Mattenrand war man zuversichtlich, dass er die Hürde Philipp Gänshirt überspringen kann. Doch trotz zahlreicher guter und gefährlicher Ansätze musste Wussow am Ende über eine etwas unnötige Niederlage quittieren. Im vorletzten Duell -73 kg standen sich, wie in der Hinrunde, Christian Naujoks und Philip Müller gegenüber. Und die wenigen Gäste in der Halle sowie beide Mannschaften erlebten den wohl besten und spannendsten Kampf des ganzen Tages. Was beide Athleten in diesem Vergleich boten, war Judo vom Feinsten. Chancen zur entscheidenden Wertung waren nahezu im Sekundentakt vorhanden und etliche Male hatten beide Teams schon den Jubelschrei auf den Lippen. 50 Sekunden vor Schluss war es dann endlich soweit: endlich die erste Wertung. Naujoks konnte einen starken Angriff Müllers noch stärker kontern und bekam dafür eine Yuko-Wertung zugesprochen. Doch die schmerzliche Erfahrung, dass ein Kampf eben fünf Minuten dauert, musste am Ende dennoch Naujoks machen: In einer Bodensituation 20 Sekunden vor Schluss, als schon alle Angriffe des Karlsruhers abgewehrt schienen, setzte dieser konsequent nach und konnte den Hallenser doch noch in einen Haltegriff nehmen, aus dem es letztendlich kein Entrinnen mehr gab. Trotz dieser Niederlage war dies wohl die beste Saisonleistung Naujoks’ gewesen. Dass der letzte Punkt -90 kg jedoch wieder an den SV gehen sollte, daran hatte auf Seiten der Saalestädter allerdings niemand den geringsten Zweifel, auch nicht nachdem der junge Herausforderer Felix Ernst den Punktegaranten des SV, Timo Prellwitz, kurz in Bedrängnis brachte. Prellwitz, kürzlich erst Zweitplatzierter der Deutschen Polizeimeisterschaften, spielte nach nicht einmal einer Minute seine gesamte Klasse und Routine aus und fuhr spektakulär den finalen Punkt zum 7:5-Endstand für die Hallenser ein.
Beim anschließenden gemütlichen Abendessen mit dem einen oder anderen isotonischen Erfrischungsgetränk trudelten nach und nach auch die anderen Ergebnisse der Konkurrenz ein. Riesa hatte sich knapp mit 7:6 gegen Rüsselsheim durchsetzen können und somit Schützenhilfe für den SV Halle geleistet. Dank des eigenen Erfolgs und der Niederlage der Hessen kletterte man noch auf den Bronzerang der 2. Bundesliga Süd. Damit hat diese Saison mit vielen Tal- und Bergfahrten doch noch einen versöhnlichen und erfolgreichen Abschluss genommen.
Stand: 25. Oktober 2012